Hansestadt Stendal/Uchtspringe. Das Parkinson-Syndrom ist eine neurodegenerative Erkrankung des Nervensystems, die vor allem für ihre Auswirkungen auf die Motorik bekannt ist: Tremor (unwillkürlich-rhythmisches Zittern), Gang- und Gleichgewichtsstörungen oder Muskelsteifigkeit sind häufige Symptome, die als charakteristisch gelten. Bis zu 90 Prozent der Betroffenen leiden aber auch unter Schlafstörungen. Schlafbezogene Probleme können sogar Jahre vor den anderen Beschwerden auftreten und ein Frühwarnzeichen der Parkinson-Krankheit sein. Aber warum ist das so und was kann man tun? Über einige Aspekte der komplexen Thematik sprachen wir mit der Somnologin und Psychologischen Psychotherapeutin Sabine Feldmann im Hinblick auf den dies-jährigen Welt-Parkinson-Tag am 11. April 2025. Er ist in diesem Jahr den Themenschwerpunkten Schlaf und Bewegung gewidmet. Frau Feldmann leitet das Schlaflabor in der Uchtspringer Klinik für Neurologie und Schlafmedizin, wo jährlich weit mehr als 400 Patientinnen und Patienten mit Bewegungsstörungen wie der Parkinson-Krankheit oder auch dem Syndrom der unruhigen Bein (RLS) behandelt werden.
Die Ursachen und Wechselbeziehungen von Schlafstörungen bei Parkinson sind vielfältig. Sie hängen mit den krankheitsbedingten Abweichungen im Gehirnstoffwechsel sowie den damit einher-gehenden Beschwerden (z.B. Muskelsteifigkeit, Tremor im Ruhezustand) zusammen. Ebenso treten schlafbezogene Begleiterkrankungen wie das Restless-Legs-Syndrom (RLS), die REM-Schlaf-Verhaltensstörung (Verhaltensstörung den Traumschlaf betreffend, RBD) oder das Schlaf-Apnoe-Syndrom (SAS) häufig auf. Ein nicht erholsamer Schlaf kann auch Folge von Medikamenten-Nebenwirkungen, nächtlichem Grübeln über Sorgen und Ängste oder häufigem Harndrang sei. „Das bringt Leidensdruck mit sich, beeinträchtigt die Behandlung der Grunderkrankung und kann sogar zu Selbst- und Fremdgefährdung führen“, verweist Sabine Feldmann hier auf die Risiken einer REM-Schlaf-Verhaltensstörung, bei der Trauminhalte ungebremst ausgelebt werden und Betroffene unter Umständen treten, schlagen und schreien oder aufstehen und den geträumten Aktivitäten nachgehen. Dann ist das Verletzungsrisiko groß.
Es gibt verschiedene Ansätze, um Schlafstörungen im Kontext einer Parkinson-Erkrankungen zu lindern oder sogar zu überwinden: „Wenn die Diagnostik abgeschlossen und die Ursache gefunden ist, kann der behandelnde Neurologe in vielen Fällen durch eine Anpassung der bestehenden Medikamente helfen“, erklärt Sabine Feldmann. „Manchmal – so zum Beispiel bei der REM-Schlaf-Verhaltensstörung – kann auch ein zusätzliches Medikament notwendig sein. Und bei einem Schlaf-Apnoe-Syndrom sollte die Option zum Tragen einer nächtlichen Atemtherapie geprüft wer-den.“
Die erfahrene Schlafexpertin rät betroffenen Patientinnen und Patienten zugleich, sich nicht nur auf die medizinisch-therapeutischen Einflussmöglichkeiten zu verlassen, sondern selbst aktiv zu werden: „Wie andere chronische Erkrankungen, geht auch Parkinson oft mit Ängsten, Stimmungsschwankungen und Grübelneigungen einher, die den Schlaf beeinträchtigen und die Lebensqualität belasten können. Guter Schlaf macht uns wach am Tag und ermöglicht uns, den Tag aktiv zu gestalten, z.B. Hobbies auszuüben oder andere Dinge tun, die uns wichtig sind. Wenn der erhol-sam-erfrischende Effekt ausbleibt, ist es genau umgekehrt: Wir sind müde und haben weder Kraft noch Lust, um etwas zu unternehmen“, so Sabine Feldmann.
Um dem unheilvollen Kreislauf aus gestörtem Schlaf, Tagesmüdigkeit, Konzentrations- und Gedächtnisproblemen, Energieverlust und depressiven Verstimmungen Paroli zu bieten, gibt es aus Sicht der Expertin kein „Patentrezept“. „Wir haben aber schlafmedizinisch sehr gut belegte und bewährte Empfehlungen, die auch bei Menschen mit anderen chronischen Erkrankungen und Schlafproblemen wirksam sein können.“ Einige davon zeigt Frau Feldmann nachfolgend auf:
- Bewegen Sie sich tagsüber. Spaziergänge und kleine Sporteinheiten stabilisieren die Stimmung und können die Schlafqualität erheblich verbessern. Dehnübungen, Schwimmen und leichtes Yoga fördern die Beweglichkeit. Legen Sie anstrengende Aktivitäten aber nicht in die Abendstunden – das könnte den Schlaf stören.
- Verbringen Sie möglichst viel Zeit draußen an der frischen Luft. Das Tageslicht ist einer der wichtigsten Zeitgeber für den Tag-Nacht-Rhythmus und hat großen Einfluss auf den Schlaf.
- Pflegen Sie soziale Kontakte. Begeben Sie sich auf die Suche, um auf neue Gedanken und Ideen zu kommen. Machen Sie in einer Selbsthilfegruppe mit, wenn Ihnen der Austausch mit anderen Betroffenen guttut und hilft, die Herausforderungen der Erkrankung besser zu bewältigen.
- Wenn Sie den Mittagsschlaf schätzen: Achten Sie darauf, dass er nicht länger als 30 Minuten andauert. Längere Schlafzeiten am Tage sind nicht empfehlenswert, da sie den nächtlichen Schlafrhythmus stören können.
- Probieren Sie aus, ob Ihnen Entspannungstechniken guttun. Progressive Muskelentspannung, Atemübungen, Autogenes Training, Meditation und Achtsamkeitsübungen gehören zum breiten Spektrum der Möglichkeiten, um sich langsam „herunterzufahren“.
Beachten Sie die Grundregeln für eine gute Schlafhygiene. Dazu gehören zum Beispiel regelmäßige Schlafenszeiten und –Routinen, eine ruhige, dunkle und kühle Umgebung, Vermeidung von Stress sowie von schweren Mahlzeiten, Alkohol, Kaffee und schwarzem Tee am Abend.
Kurz informiert
Morbus Parkinson ist eine Erkrankung des Nervensystems, bei der die Gehirnzellen in einem bestimmten Ab-schnitt zunehmend ihre Funktion verlieren. Diese Zellen produzieren normalerweise den Botenstoff Dopamin, der an Schaltstellen unseres Gehirns eine wichtige Aufgabe hat: Er überträgt Nervenimpulse, die zur Koordinie-rung der Bewegungsabläufe notwendig sind. Wenn diese Signalübertragung gestört ist, geht also Kontrolle über die Muskulatur verloren - viele Verrichtungen werden durch Bewegungsverlangsamung, Zittern, Haltungs- und Gehstörungen stark beeinträchtigt.
Warum die Gehirnzellen nach und nach ihren Dienst versagen, ist bislang noch weitgehend unbekannt. Vermu-tet wird eine Kombination aus mehreren Ursachen, wobei Vererbung im engeren Sinne bisher nur eine kleine Gruppe betrifft. Es sind gegenwärtig noch keine vorbeugenden Maßnahmen möglich. Daher muss alle Aufmerk-samkeit der frühzeitigen Erkennung und Therapie gelten, denn: Der gestörte Botenstoff-Haushalt lässt sich me-dikamentös wirkungsvoll beeinflussen und der Krankheitsverlauf in Kombination mit einer parkinson-spezifischen Förderung der Motorik um Jahre hinauszögern.
Der Uchtspringer Parkinson-Schwerpunktbereich gehört zur Klinik für Neurologie und Schlafmedizin, wobei das Team interdisziplinär mit anderen Abteilungen des Hauses zusammenarbeitet. Expertise aus Physio-, Ergo-, Sport- und Musiktherapie fließt ebenso in die fachärztlich geleitete Behandlung ein wie z.B. aus Logopädie, Psychologie und Sozialarbeit. Eine Besonderheit der Parkinson-Behandlung in Uchtspringe liegt darin, dass neurologische, schlafmedizinische, internistische und gerontopsychiatrische Kompetenzen eng miteinander vernetzt sind. Dies kommt vor allem älteren Patientinnen und Patienten zugute, die neben dem Parkinson-Syndrom von weiteren Erkrankungen betroffen sind, so zum Beispiel von demenziellen Störungen, Depressionen oder Herz-Kreislaufproblemen.