Lutherstadt Wittenberg. Dem 20jährigen Bestehen der Salus-Tagesklinik für psychisch kranke Kinder und Jugendliche Wittenberg wird am Mittwoch, dem 27. September 2023, eine ganztägige Fachtagung gewidmet. In der Stiftung Leucorea stehen unter dem Leitmotiv „Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm. Oder doch?“ theoretische Grundlagen sowie praxisbezogene Interventions- und Präventionsmöglichkeiten in der familientherapeutischen Arbeit mit Kindern psychisch kranker Eltern im Blickpunkt. Zu der Veranstaltung werden rund 200 Teilnehmende erwartet, überwiegend Fachleute, die am Hilfesystem für psychisch belastete Familien beteiligt sind oder diese Expertise in ihre Arbeit einbeziehen wollen. Das wissenschaftliche Programm wird ergänzt durch eine Poster-Session, in der sich u.a. Kooperationspartner der Tagesklinik vorstellen und zum fachlichen Austausch einladen. Das detaillierte Tagungsprogramm ist nachfolgend als pdf-Datei abrufbar. Da die maximale Platzkapazität bereits ausgebucht ist, sind Anmeldungen nicht mehr möglich, man kann sich jedoch auf eine Warteliste setzen lassen.
„Wir sind in unserer täglichen Arbeit mit immer komplexer belasteten und gestörten Familiensystemen konfrontiert“, schildert Steffen Orzessek, Psychologischer Leiter der Tagesklinik Wittenberg, einen Beweggrund für die gewählte Thematik. „Daher freuen wir uns, dass wir wirklich hochkarätige Referentinnen und Referenten für die Veranstaltung gewinnen konnten“, verweist Herr Orzessek u.a. auf den Impulsvortrag von Prof. Dr. med. Karl Heinz Brisch aus München, der zu den international führenden Experten auf dem Gebiet der Bindungsforschung gehört.
Wissenschaftliche Studien belegen, dass Kinder eines psychisch kranken Elternteils nicht nur vielfältigen Belastungen ausgesetzt sind. Sie haben vor allem auch ein stark erhöhtes Risiko, selbst eine psychische Störung oder Krankheit zu entwickeln. Nach Schätzungen der Bundespsychotherapeutenkammer sind in Deutschland ca. 1,5 Millionen Kinder und Jugendliche von schweren seelischen Störungen eines oder beider Elternteile mit betroffen. Dazu gehören beispielsweise Psychosen, schwere Depressionen oder Abhängigkeitserkrankungen. Für die Kinder ist dies mit erheblichen emotionalen Problemen verbunden, da sie sich zumeist verunsichert und manchmal auch schuldig fühlen. Nicht selten kommen körperliche Vernachlässigung und soziale Verwahrlosung hinzu. Oftmals übernehmen diese Mädchen und Jungen verfrüht Verantwortung für familiäre Aufgaben, beispielsweise bei der Versorgung von kleineren Geschwistern. „Wir müssen alles dafür tun, damit betroffenen Familien möglichst frühzeitig die notwendigen Hilfen zur Verfügung stehen“, erklärt der psychologische Tagesklinik-Leiter Steffen Orzessek. „Besonders wichtig sind familienorientierte Angebote, die zu einer Stabilisierung der familiären Strukturen und Beziehungen sowie zur Stärkung der Persönlichkeitsentwicklung bei den Kindern beitragen.“
Die Salus-Tagesklinik Wittenberg im Kurzprofil
Die im Jahr 2003 als Außenstelle des Salus-Fachklinikums Bernburg eröffnete Tagesklinik für Kinder- und Ju-gendpsychiatrie, -psychosomatik und –psychotherapie in der Lutherstadt Wittenberg verfügt über 20 Plätze. In der Einrichtung werden Mädchen und Jungen im Alter zwischen ca. fünf und 18 Jahren aufgenommen, bei denen sich ambulante Behandlungen als nicht ausreichend erwiesen haben. Ebenso wie die Salus-Tageskliniken in Bernburg und Dessau-Roßlau steht die Wittenberger Einrichtung unter chefärztlicher Leitung von Dr. Kirstin Palm. Diese drei Einrichtungen werden seit Februar 2023 unter dem Dach eines neu gegründeten Klinikfachbereiches für teilstationäre Kinder- und Jugendpsychiatrie, -psychosomatik und -psychotherapie geführt. Das Salus-Fachklinikums Bernburg hat mit dieser Neuprofilierung auf die wachsende Bedeutung wohnortnaher tagesklinischer und ambulanter Versorgungsangebote reagiert.
In der Tagesklinik Wittenberg werden nahezu alle Störungen und Erkrankungen aus dem Fachgebiet der Kinder- und Jugendpsychiatrie diagnostiziert und behandelt. Besonders häufig leiden die jungen Menschen unter emotionalen Problemen und Verhaltensstörungen, die zu Hause, in Schule und Freizeit offenkundig werden. Sie verhalten sich teilweise aggressiv, betont unsozial, gereizt oder auch extrem ängstlich, depressiv, zurückgezogen und gehemmt. Häufig haben sich Lern- und Leistungsprobleme eingestellt, weil Konzentration und Aufmerksamkeit gestört sind. Diese Symptome können mit und ohne Hyperaktivität einhergehen.
Behandelt wird - differenziert nach Alter - in Gruppen. Neben fachärztlichen Behandlungen sowie psychotherapeutisch-psychologischen Einzel-, Gruppen- und Familiengesprächen fließen fachtherapeutische und pflegeri-sche Angebote in die Therapie ein, um kognitive und sozioemotionale Fähigkeiten zu fördern. Dazu gehören beispielsweise Ergo-, Sport- und Bewegungstherapien, soziales Kompetenztraining und Entspannungsverfahren. Ebenso tragen Sozialarbeit und Klinikbeschulung dazu bei, Probleme zu überwinden, das zumeist beeinträchtigte Selbstwertgefühl zu stärken und damit den Wiedereinstieg in KiTa oder Schule zu erleichtern. Zusätzlich gibt es mit dem therapeutischen Reiten ein tiergestütztes Angebot.
Die tagesklinische Therapieform kann immer dann in Erwägung gezogen werden, wenn die Patientinnen und Patienten trotz ihrer seelischen Erkrankung viele alltagspraktische Anforderungen selbstständig bewältigen können und weder sich selbst noch andere gefährden. Durch die Wohnortnähe ergeben sich besondere Vorteile bei der Zusammenarbeit mit den Familien und dem sozialen Umfeld.
Der Tagesklinik angeschlossen ist das Sprechstundenangebot einer kinder- und jugendpsychiatrischen Insti-tutsambulanz. Es richtet sich vor allem an Mädchen und Jungen, die über längere Zeit therapeutische Hilfe mit den Mitteln der Tagesklinik brauchen. Je nach Art, Ausprägung und Verlaufsform einer Erkrankung kann auch die fachärztliche Betreuung in der Institutsambulanz dazu beitragen, Klinikaufenthalte zu vermeiden oder zu verkürzen bzw. andere geeignete Therapieformen zu finden.
Und hier geht´s zur Tagesklinik Wittenberg.