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20 Jahre Tagesklinik Wittenberg: Jubiläumsfachtagung „Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm. Oder doch?!“

Bereicherten mit ihren Beiträgen das Tagungsprogramm (v.l.n.r.): Dr. med. Edeltraud Dögel (ehemalige Chefärztin der KJPPP Bernburg), Dr. med. Kirstin Palm (Chefärztin des tagesklinischen Klinikfachbereiches KJPPP des Salus-Fachklinikums mit den Standorten in Bernburg, Dessau-Roßlau und Wittenberg), Dipl.-Psych. Steffen Orzessek (Psychologischer Leiter der Salus-Tageskliniken Wittenberg und Dessau- Roßlau), Prof. Dr. med. Karl Heinz Brisch (PMU Salzburg), Prof. Dr. phil. Albert Lenz (Katholische Hochschule NRW, Abt. Paderborn) und Prof. Dr. Babette Renneberg (Freie Universität Berlin).
Fachleute im Austausch über Wege zur Hilfe für psychisch belastete Familien

Lutherstadt Wittenberg. Ein berührender musikalischer Auftakt, eindrucksvolle Rück- und Ausblicke zur Einrichtungsentwicklung, hervorragende Fachvorträge und intensive Diskussionen: Die Tagung anlässlich des 20jährigen Bestehens der Salus-Tagesklinik für psychisch kranke Kinder und Jugendliche Wittenberg hatte alles, was man sich von so einer Jubiläumsveranstaltung nur wünschen kann: Emotionalen Glanz, fachlichen Tiefgang sowie viele wertschätzende Begegnungen. Fast ein Jahr lang hatte das Team unter Federführung des leitenden Psychologen und Tagungsleiters Steffen Orzessek  diesen Tag vorbereitet. Es wurden hochkarätige Referentinnen und Referenten gewonnen, mit der Stiftung Leucorea eine würdevolle Veranstaltungsstätte gefunden, Kooperationspartner in die Mitgestaltung einer Poster-Session einbezogen und der gesamte Rahmen mit viel kreativer Liebe zum Detail ausgestattet. Unter dem Leitmotiv „Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm. Oder doch?“ standen  theoretische Grundlagen sowie praxisbezogene Interventions- und Präventionsmöglichkeiten in der familientherapeutischen Arbeit mit Kindern psychisch kranker Eltern im Blickpunkt. Die Thematik fand in der Fachöffentlichkeit so große Resonanz, dass die Veranstaltung mit 200 Teilnehmenden bis auf den letzten Platz ausgebucht war und die auf der Warteliste vermerkten Interessenten leider nicht mehr berücksichtigt werden konnten.  

Zum fachlichen Hintergrund der Tagungsthematik gehört, dass die am medizinisch-therapeutischen und psychosozialen Hilfesystem beteiligten Fachleute in ihrer täglichen Arbeit mit immer komplexer belasteten und gestörten Familiensystemen konfrontiert sind. Wissenschaftliche Studien belegen, dass Kinder eines psychisch kranken Elternteils nicht nur vielfältigen Belastungen ausgesetzt sind. Sie haben vor allem auch ein stark erhöhtes Risiko, selbst eine psychische Störung oder Krankheit zu entwickeln. Schätzungen gehen inzwischen davon aus, dass in Deutschland drei bis vier Millionen Kinder und Jugendliche von schweren seelischen Störungen eines oder beider Elternteile mit betroffen. Dazu gehören beispielsweise Psychosen, schwere Depressionen oder Abhängigkeitserkrankungen. Für die Kinder ist dies mit erheblichen emotionalen Problemen verbunden, da sie sich zumeist verunsichert und manchmal auch schuldig fühlen. Nicht selten kommen körperliche Vernachlässigung und soziale Verwahrlosung hinzu. Oftmals übernehmen diese Mädchen und Jungen verfrüht Verantwortung für familiäre Aufgaben, beispielsweise bei der Versorgung von kleineren Geschwistern. 
Die Wittenberger Tagung vermittelte vielfältige Impulse zum grundlegenden Verständnis solcher Entwicklungen, die vielfach in frühkindlichen Trauma- und Bindungsstörungen wurzeln. Besonderes Augenmerk wurde auf die enorme  Bedeutung familienorientierter Angebote gelegt, die zu einer Stabilisierung der familiären Strukturen und Beziehungen sowie zur Stärkung der Persönlichkeitsentwicklung bei den Kindern beitragen. Auch in der Tagesklinik Wittenberg wird derzeit ein Projekt geplant, das auf Basis der vielfältigen familientherapeutischen Erfahrungen des Teams die bestehenden Angebote noch ergänzen soll. So stellte Chefärztin Dr. med. Kirstin Palm die Eckpunkte zum Aufbau einer Familientagesklinik vor, wo in Kooperation mit der Alexianer-Klinik Bosse Wittenberg die gemeinsame Behandlung von psychisch belasteten Eltern und Kindern erfolgen soll.     

Die im Jahr 2003 als Außenstelle des Salus-Fachklinikums Bernburg eröffnete Tagesklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, -psychosomatik und –psychotherapie in der Lutherstadt Wittenberg verfügt über 20 Plätze. In der Einrichtung werden Mädchen und Jungen im Alter zwischen ca. fünf und 18 Jahren aufgenommen, bei denen sich ambulante Behandlungen als nicht ausreichend erwiesen haben. Ebenso wie die Salus-Tageskliniken in Bernburg und Dessau-Roßlau steht die Wittenberger Einrichtung unter chefärztlicher Leitung von Dr. Kirstin Palm. Diese drei Einrichtungen werden seit Februar 2023 unter dem Dach eines neu gegründeten Klinikfachbereiches für teilstationäre Kinder- und Jugendpsychiatrie, -psychosomatik und -psychotherapie geführt. Das Salus-Fachklinikums Bernburg hat mit dieser Neuprofilierung auf die wachsende Bedeutung wohnortnaher tagesklinischer und ambulanter Versorgungsangebote reagiert.  

Einige Streiflichter von der Jubiläumsfachtagung finden Sie nachfolgend in unserer Bildergalerie: