Sebastian Brunkau

Freiwilliger Helfer auf der Covid-ITS in Gardelegen

"Ich wollte nicht den Lockdown abwarten, sondern etwas Sinnvolles tun", berichtet Sebastian Brunkau über seinen Dienst als freiwilliger Helfer auf der Covid-ITS Station im Altmark-Klinikum in Gardelegen. 

Der 42-Jährige gehört zu den Helfern, die die Krankenhäuser der Salus Altmark Holding in einer bis dato nie dagewesenen Herausforderung mit vollem Einsatz und Engagement zur Seite stehen. Sebastian Brunkau, hauptberuflich Vertriebsmitarbeiter der Firma Johnson & Johnson Medical GmbH, unterstützt seit dem 1. Dezember die Pflegefachkräfte bei ihrer verantwortungsvollen Tätigkeit in der Covid-19-Abteilung der Intensivstation. Sein Arbeitgeber hat den ehemaligen Intensivpfleger im Rahmen des vom Unternehmen ausgerufenen Freiwilligenprogrammes für insgesamt 16 Wochen freigestellt.

Der Gardlegener erzählt: "Ich hatte natürlich gehörigen Respekt vor dem, was da vor mir lag: Meine letzte pflegerische Tätigkeit hatte ich von 2004 bis 2005 auf einer internistischen Intensivstation in der Klinik am Eichert in Göppingen in der Nähe von Stuttgart. Die Intensivstation hatte zwölf Beatmungsplätze und acht Überwachungsbetten. Dort habe ich viel über Intensivmedizin gelernt. Bedenken hatte ich allerdings trotz meiner langjährigen Berufserfahrung und guten Ausbildung. Und dann gab es natürlich auch den Gedanken: Hoffentlich steckst du dich nicht an! Aber andererseits war mir sehr wohl klar, dass es Menschen geben muss, die bereit sind, dieses Risiko in Kauf zu nehmen, denn sonst hätten viele Erkrankte ein großes Problem. Also stand es für mich fest. Egal, ich mache es! Ich bin noch relativ jung und gesund und das Risiko war also für mich relativ kalkulierbar. Die ersten Tage waren wirklich anstrengend. Es gab viel Neues, man musste sich stets merken: Wie sind die Abläufe? Was liegt wo? Wie heißen die Kollegen? Was bedeutet welches Piepsen? Und auf einer ITS piepst immer irgendwas. Welche isolatorischen Maßnahmen sind einzuhalten? Hinzukommen die alltäglichen pflegerischen Maßnahmen, die zu Beginn wieder etwas Überwindung gekostet haben. Betten machen, Patienten waschen, unterstützen bei den Ausscheidungen und die komplette Dokumentation. Aber nach zirka zwei Wochen war ich wieder im ,altbekannten Pfleger-Modus'. Irgendwie ist es auch wie Fahrradfahren, man verlernt es nicht.

Der ITS-Alltag ist immer wieder von kritischen Situationen geprägt, in denen man einen kühlen Kopf bewahren muss. Es geht oft um Leben und Tod auf einer Intensivstation. Wenn man dann die Nerven verliert, kann das schwerwiegende Folgen haben. Solche Situationen sind auch körperlich und mental herausfordernd. Man muss auch damit umgehen können, einen Patienten zu verlieren. Als es nun das erste Mal in diesem Einsatz passierte, habe ich doch den einen oder anderen Gedanken daran mit nach Hause genommen. Das Team hat mich jedoch in diesen Momenten aufgefangen. Bereits der Empfang war sehr herzlich. Jeder zeigte sich froh über eine Unterstützung. Zumal die Pflege der Patienten oft sehr kraft- und zeitaufwendig ist. Die Versorgung von Covid-Patienten kostet mehr als doppelt so viel Zeit, wie die von Non-Covid-Patienten. Hinzu kommt, dass es für die Pflegekräfte ein wahrer Kraftakt ist. Die Menschheit wird leider immer korpulenter. Das Team der ITS besteht aktuell nur aus Schwestern. Ein Pfleger der ein bisschen mit anpacken kann, ist immer sehr gern gesehen. Aktuell besteht das Team aus 14 Pflegekräften. Es ist ein sehr kleines, familiäres Team. Es ist wohl das persönliche Miteinander, das es so besonders macht. Daher fiel es mir auch nicht schwer, öfter mal einzuspringen – auch am Silvesterabend. Ich hatte eigentlich frei, habe aber immer gesagt: ‚Wenn die Hütte brennt, könnt ihr mich jederzeit anrufen. Dann komme ich.‘ Und an Silvester um halb fünf nachmittags klingelte plötzlich das Telefon. Ein Zugang war noch angekündigt und es war klar: Die Versorgung wird aufwendig. Und auch sonst waren die diensthabenden Kolleginnen schon an ihrer Belastungsgrenze mit den Patienten, die wir hatten. Also habe ich meine Silvestergäste die um 17 Uhr kommen wollten, vertröstet und war 10 Minuten später auf der Station. Und da herrschte tatsächlich ein regelrechter Tumult. Der diensthabende Notarzt half noch bei der Versorgung des Zugangs mit. Unser Oberarzt Dr. Hahn hatte Dienst und begrüßte mich mit den Worten: ‚Sebastian, du bist echt ein Engel! An Silvester alles stehen und liegen zu lassen, um uns hier so spontan zu helfen. Das rechne ich dir wirklich hoch an!‘ Auch die Schwestern reagierten ganz ähnlich und ich war regelrecht gerührt von so viel Wertschätzung. Da kommt man doch gern zum Helfen. Und irgendwie haben wir die Lage in den Griff bekommen, bis der Nachtdienst kam.

Das zweite Erlebnis, das für mich diesen Einsatz so besonders macht, war an meinem 42. Geburtstag. Ich hatte eigentlich frei, habe aber für die Station von meiner 91-jährigen Tante zwei Kuchen backen lassen. Als ich mit dem Kuchen im Türrahmen stand, haben mir die Kollegen ein Ständchen gesungen. Auf dem Tisch war mein Platz ganz liebevoll mit einer kleinen YES-Torte mit drei Kerzen drauf geschmückt. Ich habe mich wahnsinnig darüber gefreut. Das war eine tolle Geste. Im Vertrieb hat man ja kein Team, in dem man tagtäglich arbeitet. Sowas bin ich also gar nicht gewohnt. Deshalb hat es mich ganz besonders berührt. 

Am 8. März endet offiziell mein Einsatz im Rahmen des Freiwilligenprogrammes. Ich hatte bei meinem Arbeitgeber vor Ablauf der offiziellen 14 Wochen, noch eine Verlängerung um weitere 2 Wochen beantragt. Jetzt - wo ich gut eingearbeitet bin - wird meine Hilfe von Woche zu Woche effektiver. Covid-19 ist nach wie vor immer noch ein täglicher Begleiter. Meine Hilfe wird weiterhin benötigt und ist auch gewünscht. Ich bin meinem Unternehmen dankbar, das tun zu können und erfahre von den Kollegen und den Patienten in der Klinik sehr viel Wertschätzung. Ein paar Wochen darf ich noch helfen. Und dann komme ich wieder als Vertriebsmitarbeiter in die Klinik und nicht mehr als Pfleger.

Die letzten 16 Jahre hatte ich in Stuttgart verbracht und wollte jetzt wieder zurück in meine Heimat. Dass diese Rückkehr irgendwie auch eine berufliche Heimkehr bedeuten würde, hätte ich nie gedacht. Aber man verlernt es nicht. Und es macht immer noch Spaß! Ich hätte nicht gedacht, dass ich das noch einmal machen würde. Aber ich wollte im Lockdown nicht abwartend daheim rumsitzen, sondern etwas Sinnvolles tun und dort helfen, wo Hilfe benötigt wird.

Eine vollständige Rückkehr in mein altes Berufsleben ist für mich ausgeschlossen. Es hatte einen persönlichen Grund für mich gegeben, den Beruf nicht mehr auszuüben. Während meiner Tätigkeit in Göppingen war ich zunehmend in einen ethischen Konflikt geraten. Ich hatte es teilweise unangemessen und ethisch nicht mehr immer vertretbar empfunden, in welchem Ausmaß therapiert wurde. In so einem großen Haus hatten wir natürlich andere Möglichkeiten für therapeutische Ansätze. Aber es muss Grenzen geben. Und diese Grenzen definiert jeder Mensch für sich selbst. Letztendlich war das der Grund, warum ich mich auch für alternative berufliche Möglichkeiten geöffnet habe. Somit waren es auf den Tag genau 15 Jahre, die zwischen dem Ende in der Pflege in Göppingen und den ,Neuanfang“'in Gardelegen lagen."